We are in war - shit happens!

Wenn du das Schicksal nicht ändern kannst, tanze mit ihm! Meine Filmkritik zu "FOXTROT"


worum gehts?

„Foxtrot“ zugrunde liegt der Krieg. Der Nah-Ost-Konflikt. Jonathan Feldman ist ein an der Grenze zu Palästina stationierter Soldat. Hier im weit abgelegenen israelischen Hinterland öffnen die Soldaten die Schranke ihres Checkpoints beinahe genau so oft für Autos, wie für Kamele. Sie leben in einem tristen Container, schieben Schicht um Schicht und essen Fleisch aus Dosen, Tag um Tag. Doch dann erreicht Jonathans Eltern Dafna und Michael eine Nachricht, die alles verändert: Die seines Todes.

Dennoch ist „Foxtrot“ kein Kriegsfilm – sondern viel mehr so etwas wie ein Anti-Kriegsfilm, ein Film über Schicksal und Zufall, ein Film über das Nichtstun und darüber, das Falsche zu tun.

wer spielt mit?

In den Hauptrollen spielen der junge israelische Schauspieler Yonatan Shiray als „Jonathan“, Sahra Adler, ebenfalls israelische Schauspielerin, als seine Mutter „Daphna“ und Lior Ashkenazi, einer der gefeiertesten Filmstars Israels als Vater „Michael“. Daneben setzt Regisseur Samuel Maoz in Nebenrollen auf meist eher unbekannte israelische Schauspieler.

filmischer augenschmaus?

Ohh ja! So detailverliebt, so kreativ, so wunderschön, so besonders bringt die Kamera, geführt von Giora Bejach all das, was schwer in Worte zu fassen ist auf die große Leinwand. Denn „Foxtrot“ ist ein wortloser Film, viel geredet wird nicht. Der Film spricht durch die Bilder: In langen, klaren & ruhigen Einstellungen und grandiosen Bildausschnitten vermittelt der Film alleine mit seinen Bilder Gefühle, Stimmungen, Informationen und alles, was nötig ist, weit besser als es durch Musik oder Dialog wohl jemals möglich wäre.


mainstream oder independent?

Gefördert unter anderem aus israelischen, deutschen, französischen und schweizerischen Quellen, hätte „Foxtrot“ wahrscheinlich durchaus die finanziellen Mittel für einen typischen Mainstream-Blockbuster. Dennoch spinnt Regisseur und Drehbuchautor Samuel Maoz rund um die israelische Familie Feldmann eine filigrane, ungewöhnliche Geschichte, die garantiert nicht jeden 0815-Kinogänger anspricht. Unterstützt von einer außerordentlichen Kamera und seiner stillen Art ist „Foxtrot“ also sicher kein Film für den breiten Massen-Mainstream.


was gibt's zu meckern?

Was es zu meckern gibt? Ausnahmsweise mal: gar nichts! „Foxtrot“ liefert ein völlig rundes Bild, eine so perfekte Kameraführung, so gute Schauspielerleistungen, dass man beinahe wunschlos glücklich aus dem Kino kommt und sich freut, einen wunderbaren Film gesehen haben zu dürfen.

große leinwand oder kleiner bildschirm?

Unbedingt auf der großen Leinwand! Fast verschenkt ist der Film auf dem Bildschirm eines jeden anderen digitalen Endgeräts, kann sich dieser Film doch erst im Kino voll entfalten, erst im Kino richtig zur Geltung kommen.


braucht man taschentücher?

Seltsamer Weise nein. Obwohl der Film ein ernstes und oft sehr trauriges Thema behandelt, kann man sich durch den Film weit genug davon distanzieren, um nicht in Mitleidenschaft gezogen zu werden, ohne den Blick aufs Ganze zu verlieren. Schwächere Gemüter sollten (nur zur Sicherheit) trotzdem ein oder zwei dabeihaben.

mit wem angucken?

Am besten mit jemandem, der ein bisschen Stille aushalten kann, nicht immer nur Action braucht, der auch einen ruhigen Film verkraftet. Und mit jemandem, der mit dem Thema, mit dem Nahostkonflikt, mit der Geschichte des Staates Israel vielleicht schon ein bisschen vertraut ist. Aber auch das ist nicht unbedingt notwendig.

was macht man danach?

Nachdenken. Auf jeden Fall. Vielleicht sogar: sich informieren. Zum Beispiel über Israel und den Nahostkonflikt, den der Film einem in seiner stillen, unaufgeregten Art und Weise näher gebracht hat. Denn das kann der Film: die Zuschauer sensibilisieren, ihnen vielleicht sogar die Augen öffnet, für das was in den täglichen Medienfluten unterzugehen scheint: die Menschen hinter dem Konflikt.

in drei worten

Still. Kritisch. Bildgewaltig.


Auf einen Blick
Action: ✪ ✪
Romantik: ✪
Humor: ✪ ✪ ✪
Niveau: ✪ ✪ ✪ ✪ ✪
Bildungsfaktor: ✪ ✪ ✪ ✪

foxtrot

Regie: Samuel Maoz

Darsteller: Lior Ashkenazi, Sarah Adler, Yonatan Shiray, Gefen Barkai, Yehuda Almagor, u.v.m.

Kinostart: 12. Juli 2018

Filmlänge: 113 Minuten

Genre: Drama

FSK: ab 12 Jahren



Dieser Text erschien erstmals am 11. Juli 2018 in leicht geänderter Form hier auf der Website des Jugendmagazins SPIESSER: https://www.spiesser.de/artikel/foxtrot


Text: Jonathan Auer; Bildmaterial: © FILMFEST MÜNCHEN 2018

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